LOK - Nordbayerischer Kurier - Mittwoch, 3. April 1996
Bilder finden für einen Mythos
Uwe Appolds Arbeiten aus dem Perceval-Zyklus - Ausstellung bis 27. April geöffnet

Uwe Appold vor einem seiner Werke aus dem Zyklus.

Dunkles Blau steht einem leuchtenden Gelb gegenüber. Das blaue Feld ist durchsetzt mit goldfarbenen Fliehen: Zwei edle und kostbare Farben, die zugleich auch geheimnisvoll wirken, treffen zusammen. Wie ein. Kontrapunkt nimmt sich der leuchtend rote Fleck dabei aus. Aus dem hellen Gelb der rechten Bildhälfte taucht ein kühles - morgenkühles - Türkisblau hervor. Beide Bereiche dieses Gemäldes mit den Maßen 280 x 300 Zentimeter werden durch die Farbe Rot miteinander verbunden. Ein gemaltes Tor verklammert das dunkle. Blau mit dem leuchtenden Gelb, überwindet. durch seine geneigte Position im Bild die vertikale Mittelachse, macht die Trennungslinie gleichsam durchlässig.

"Nacht- und Tagtor" hat der Künstler Uwe Appold sein 1993 entstandenes Gemälde (Acryl/Sand/Stoff auf Leinwand) betitelt, und es gehört zu dem insgesamt 400 Teile umfassenden Perceval-Zyklus, an dem Appold seit 1991 arbeitet. Ein kleiner Teil dieses Zyklus ist jetzt zu sehen in der Galerie Marianne Meyer in der Mosinger Straße 7.

Chrétien de Troyes' letzter und unvollendet gebliebener Versroman "Perceval, der Walliser oder die Erzählung vom Gral", entstanden um 1180, erzäh1t von der Wandlung eines unwissenden Toren. zur Idealgestalt des christlichen Ritters, dessen Ethos nicht mehr allein auf höfischen Tugenden beruht, sondern der gleichsam zum Bild eines Heiligen verklärt wird.

Für Uwe Appold, den Bildhauer, Maler, Autor und Lehrer an der Werkkunstschule Flensburg, markiert die Figur des Perceval aber auch den Übergang von der Romanik zur Gotik und steht damit für einen Wandel in der mittelalterlichen Gesellschaft.

Appold, den an diesem Stoff auch das Fragmentarische, das Unvollendete reizt, arbeitet in diesem Zyklus mit starken Kontrasten, teilt die Bildflächen in helle und dunkle Zonen ein, in denen die gemalten. Zeichen agieren können. Nicht um ein illustratives Arbeiten mit der Dichtung geht es dem Künstler, sondern darum, Erzählstrukturen in bildnerische Strukturen umzusetzen, für jeden Stoff und für die bildnerische Gestaltung wesentlicher Inhalte und Fragestellungen eines Themas eine Grundgrammatik zu finden. In Uwe Appolds Perceval-Zyklus findet sich beispielsweise immer wieder die Form einer Schale, die an den Gral denken lässt, an jenes Gefäß, welches Ziel und Ende des Erkenntniswegs markiert. Auf die vielen für Erkenntnis und Entwicklung notwendigen Entscheidungen weist das immer wiederkehrende Motiv des Tore und damit verbunden der Akt des Heraustretens - aus dem Zustand der Unwissenheit, aus alten Konventionen, die längst überlebt sind, und aus starren Verhaltensweisen. Gerade die Reihe der Bilder Nummer elf bis 20, alle Acryl auf Karton, macht diesen Gedanken für den Betrachter deutlich. Nein, es geht Uwe Appold nicht um die Illustration eines Mythos, sondern darum, für das Wesentliche der Erzählung und deren Handlung die heutigen Mittel der bildenden Kunst einzusetzen und mit ihnen ein entsprechendes Vokabular zu entwickeln. "Hautgelb" von 1992 (Acryl, Stoff, Sperrholz mit Einschnitten, 135x200 Zentimetern) mit seinen tiefen Einschnitten in der gelben Fläche, die mit transzententem Blau hinterlegt sind, weist auf die Verletzungen hin, die Perceval anderen zufügte und zugleich auch erleiden musste, auf den tödlichen Zweikampf mit dem roten Ritter und auf die vielen Rüstungen, die Perceval wieder ablegen mußte, um am Ende zu sich selbst zu kommen.

Uwe Appold ist es gelungen, diese mehr als achthundert Jahre alte Erzählung des Chrétien de Troyes uns als einen zeitlosen und modernen Stoff nahezubringen, der auf unterschiedliche Weise immer wieder neu befragt werden kann. Für die Ausstellung in der Galerie Marianne Meyer sollte man sich Zeit nehmen, zum Betrachten der Werke und zum Nachvollziehen der einzelnen, manchmal kleinen Erkenntnisschritte.

Die Ausstellung in der Moisinger Straße 7 dauert bis zum 27. April, sie ist geöffnet Dienstag bis Freitag von 16 bis 18 Uhr und nach Vereinbahrung (09 21/4 39 25).

Ursula Leibinger-Haisibether